Ich spreche ausschließlich von „Tätern“. Mir ist bewusst, dass auch Frauen sexualisierte Gewalt ausüben und dies weit häufiger als angenommen. Der prozentuale Anteil ist allerdings so gering, so dass die Realität verzerrt würde, spräche ich von Täter_innen.

Mir ist die damit einhergehende Problematik bewusst, dass sich einige, die Gewalt durch Frauen erlebt haben, unsichtbar fühlen können.
Ich bin mit der jetzigen Lösung auch nicht wirklich zufrieden, sie erschien mir aber als das kleinere Übel.

Sonntag, 12. Januar 2014

Sexualität, Gewalt und Männerbilder


Sexualität, Gewalt und Männerbilder

Sexualisierte Gewalt ist in der Wahrnehmung fast ausschließlich männlich. Wer denkt beim Wort Vergewaltigung nicht an einen männlichen Täter und ein weibliches Opfer?

In unserer patriarchal geprägten Gesellschaft wächst kaum ein Mädchen auf, ohne vor Jungs und Männern als potentiellen Gewalttätern gewarnt zu werden. Unsere Gesellschaft ist von sexualisierter Gewalt dermaßen durchseucht, dass wir vieles überhaupt nicht mehr (bewusst) wahrnehmen, weswegen diese Warnungen in der Regel nicht hinterfragt werden („Männer sind so“). Ebenso wenig hinterfragt wird die damit einhergehende Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder auch verbale Belästigungen Klick. Gewisse Orte werden gänzlich oder zu bestimmten Zeiten gemieden und dies wird als gegeben, als „normal“ hingenommen. Frauen, die sich nicht daran halten, sind ganz schnell „selber schuld“, wenn ihnen etwas zustößt, anstatt in Frage zu stellen, wie es sein kann, dass die Hälfte der Bevölkerung in ihrer Mobilität beschränkt und die Täter aus ihrer Verantwortung entlassen werden, nur weil Frau zur „falschen Zeit“ am „falschen Ort“ war. Sexismus und sexualisierte Gewalt werden nicht als gesellschaftliches Problem wahrgenommen, sondern, bedingt durch die angeblich aggressive männliche Sexualität, als naturgegeben hingenommen.

Hier werden ganz bestimmte Rollen- und Geschlechterklischees vermittelt. Eine Hälfte der Bevölkerung wird vor der anderen gewarnt, während die andere Hälfte zum Teil aus der Verantwortung für ihr Handeln entlassen wird. Männer und männliche Sexualität werden als potentiell oder tendentiös gewalttätig dargestellt. Die immer gleichen stereotypen Rollenbilder werden reproduziert: Die Frau als Opfer des Mannes und der Mann als Opfer seiner Triebhaftigkeit. Was macht dies mit Frauen und Männern und was macht es mit einer Gesellschaft insgesamt? Unter welchem Druck stehen Männer, wenn sie meinen, diesem Männerbild entsprechen zu müssen[20]? Welches Bild von Sexualität wird vermittelt, wenn diese immer wieder mit Gewalt in Verbindung gebracht wird? Wir können uns der gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse und der daraus resultierenden Herrschafts- und Machtzusammenhänge nicht ohne weiteres entziehen, aber wir können versuchen gegenzusteuern, in dem wir zum Beispiel auf eine geschlechtsneutrale Sprache achten. So wie wir Sexismen, Rassismen und Speziesismen meiden, sollten wir auch auf Geschlechterstereotype reproduzierende Beispiele und Vergleiche verzichten.

In seinem Buch „Feindbild Frau“[21] zeigt der Sozialpsychologe Prof. Rolf Pohl auf, wie entscheidend auch in westlichen Gesellschaften Frauen ausschließende männliche Initiationsriten und die gesellschaftliche Abwertung von Frauen, für die kulturelle Entstehung vorherrschender Männlichkeit und die Verbindung von Sexualität und Aggressivität, sind.

So auch Trepper und Barret[22], die untersucht haben, welche Faktoren eine Familie anfällig für innerfamiliäre sexualisierte Gewalt machen: Männliche Dominanz über Frauen und Kinder wird in diesen Familien zumindest stillschweigend toleriert, rigide Geschlechterrollen gelebt.

Gesellschaften mit gleichberechtigten Geschlechterverhältnissen sind friedfertiger als patriarchale oder solche, in denen ein Geschlecht die Vorherrschaft hat. So sollen die sagenumwobenen Amazonen keineswegs friedlich, sondern kriegerisch und grausam gewesen sein.[21][23]

Gewalt und Sprache - „Gefickt werden“

Eine häufig verwendete, Sexualität und Gewalt verbindende Redensart ist „gefickt werden“. Die Bloggerin Veganfeminist hat einen sehr guten Blogeintrag[24] zu diesem Thema geschrieben, in dem sie beschreibt, wie „ficken“ (im Kontext von „gefickt werden“) zur Abwertung und Erniedrigung anderer benutzt wird. „Ficken“ als Synonym für Gewaltausübung. Auch hier werden wieder Rollenklischees bedient. „Ficken“=Mann=Macht, Stärke, aktiv; „Gefickt werden“=Frau=Ohnmacht, passiv, hilflos, schwach. Und wieder die Assoziation Männer und männliche Sexualität seien dominant, aggressiv, gewalttätig, „böse“.

Gerade für Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben und die versuchen ein „normales“ oder vielleicht besser: gesundes Verhältnis zur Sexualität zu entwickeln, ist es fatal, immer wieder mit der Verbindung von Sexualität und Gewalt und dem Klischee vom „bösen Mann“ konfrontiert zu werden. Eigentlich sollten Sexualität und erzwungene Gewalt[25] doch ganz weit voneinander entfernt sein. Aber auch für Nichtbetroffene bleiben diese gewaltvolle Sprache und die ständige Reproduzierung von Stereotypen nicht ohne Folgen. Wie eingangs erwähnt, haben wir alle bestimmte Bilder im Kopf, wenn wir von sexualisierter Gewalt sprechen oder hören und diese manifestieren sich unbewusst.


Der Mann als Opfer

Fatale Auswirkungen hat dieses Männerbild auch auf Männer, die Opfer sexueller Übergriffe oder von Vergewaltigungen wurden, da diese dem hegemonialen Männerbild diametral entgegenstehen. Der Mann ist als Opfer nicht vorgesehen. Männer zeigen Vergewaltigungen noch weit seltener an als Frauen. Die Scham ist noch größer. Männer müssen sich nicht nur die gleichen erniedrigenden Fragen stellen lassen, die auch Frauen gestellt werden, sie werden zusätzlich noch als Männer lächerlich gemacht, ihre Männlichkeit in Frage gestellt, schließlich erfüllen sie nicht die gesellschaftlichen Erwartungen von Macht, Dominanz und Stärke. Sie werden in die Rolle der gesellschaftlich und kulturell unter dem Mann stehenden Frau gedrängt. „Einem „richtigen Mann“ passiert so etwas nicht. Die meisten Beratungsstellen bieten Beratung allenfalls noch für Jungen an. Für erwachsene Männer, die als Kinder sexualisierte Gewalt erlebt haben, gibt es nur sehr wenige Beratungsstellen. Beratungsstellen nach dem Vorbild der Frauennotrufe für jene, die als Erwachsene einen sexuellen Übergriff erlebt haben, gibt es überhaupt nicht. Die Betroffenen bleiben mit ihrer Not alleine[26][27].

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